"Die gesetzlichen Maßnahmen sind nur dann verpflichtend, wenn die Allergie mit der beruflichen Tätigkeit zu tun hat"

Alexander Heider, Leiter der Abt. für Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien
Michael Mazohl

Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben und seine Krankheit auskurieren. Bei Grippe und Schnupfen helfen Bettruhe und Medikamente. Allergien hingegen sind meistens nicht heilbar. Was also können Betroffene machen, wenn eine allergische Reaktion die Verrichtung der Arbeit erschwert oder gänzlich unmöglich macht?

Wir wollten es genau wissen und haben dazu Herrn Alexander Heider, Leiter der Abteilung für Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der Arbeiterkammer Wien zum Interview eingeladen.

Beruflich bedingte Allergien gehören zu den häufig auftretenden Berufskrankheiten. Muss der Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz der ArbeitnehmerInnen ergreifen?

ArbeitnehmerInnen haben einen Schutzanspruch. Der Arbeitgeber ist nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verpflichtet, alle Maßnahmen zu setzen, um am Arbeitsplatz Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen zu gewährleisten. Ein klassisches Beispiel sind Frisöre mit Latexallergie oder einer Allergie bei Haarfärbemitteln. Wenn Ersatzprodukte eine Verbesserung schaffen können, muss sie der Arbeitgeber verwenden, zum Beispiel latexfreie Handschuhe.

Oft wird argumentiert, dass Maßnahmen wie Ersatzprodukte oder bauliche Veränderungen Geld kosten, das der Betrieb nicht hat.

Das ASchG spricht eine klare Sprache. Im Rahmen der Evaluierung sind gefährliche und gesundheitsgefährdende Arbeitsstoffe zu ermitteln und gegen ungefährliche oder weniger gefährliche zu ersetzen, auch wenn sie teurer sind. Arbeitnehmer, die mit gesundheitsgefährdenden Produkten arbeiten, können sich an das Arbeitsinspektorat wenden, damit eine Kontrolle durchgeführt wird.

Man liest oft von berufsbezogenen und nicht berufsbezogenen Allergien. Macht das einen Unterschied?

Ja, Die gesetzlichen Maßnahmen sind nur dann verpflichtend, wenn die Allergie mit der beruflichen Tätigkeit zu tun hat, zum Beispiel die allergische Reaktion auf Haarfärbemittel einer Friseurin oder die Mehlstauballergie eines Bäckers.

Wie ist das bei Pollenflug? Können Mitarbeiter mit einer Heuschnupfenallergie verlangen, dass im Frühling die Fenster geschlossen bleiben?

Das ASchG erfasst alles, was in die Sphäre des Arbeitgebers fällt. Umwelteinflüsse von außen, wie die Birken-Pollen fallen nicht darunter. Was das Öffnen der Fenster betrifft, so ist das eine Frage, wie man im Betrieb miteinander umgeht. Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass die Fenster geschlossen bleiben. Das ASchG sieht vor, dass in Räumen ohne Klimaanlagen die Fenster zum Lüften geöffnet werden können und wegen Corona sollen wir ja verstärkt lüften. Wie häufig dann konkret gelüftet wird, müssen sich die Arbeitskollegen untereinander ausmachen.

Wie ist es mit Raumluftreinigern mit Pollenfilter, dürfen Angestellte einen solchen im Büro aufstellen und betreiben?

Das geht nur mit Erlaubnis des Arbeitgebers. Er hat ja auch eine Verantwortung gegenüber allen anderen Arbeitnehmern. Es dürfen nur Geräte verwendet werden, die für den Betrieb in gewerblichen Räumen geeignet sind und überprüft wurden. Mit Erlaubnis des Arbeitgebers ist das möglich. Ich rate dringend davon ab, ein solches Gerät eigenmächtig und ohne Erlaubnis des Arbeitgebers aufzustellen.

Ein Pollenschutzflies am Fenster könnte den Pollenflug abhalten …

Der Arbeitgeber ist dazu nicht verpflichtet, freiwillig kann er es aber machen. Anders ist es, wenn es im Büro eine Klimaanlage gibt.

Sie meinen, bei einer Klimaanlage besteht ein Anspruch auf Einbau eines Pollenschutzfilters?

Ja, denn die Klimaanlage fällt in die Sphäre des Arbeitgebers und die Fürsorgepflicht verpflichtet ihn, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Dazu gehört, die Klimaanlage mit besseren und geeigneten Filtern auszustatten. Die Klimaanlage mit großem Aufwand umbauen oder neu bauen muss er aber nicht, soweit reicht die Fürsorgepflicht dann wieder nicht.

Was, wenn jemand wegen seiner Allergie gekündigt wird?

Es ist ein allgemeiner Irrglaube, dass ein Arbeitgeber einen Kündigungsgrund nennen muss. Ein Arbeitgeber kann Arbeitnehmer immer unter Einhaltung der Kündigungsfristen und -termine kündigen, ohne Angabe von Gründen. Aber für einige bestimmte Arbeitnehmergruppen besteht ein stärkerer Schutz vor Kündigungen wie für werdende Mütter oder Lehrlinge.

… und wenn jemand wegen allergischen Beschwerden nicht mehr in seinem Job arbeiten kann?

Bei Verdacht auf eine Berufskrankheit sollen Betroffene auf jeden Fall eine Meldung über ihren Arzt veranlassen. Dieser hat die Berufskrankheitsmeldung an die Unfallversicherung weiterzuleiten, weil das ja eine Berufskrankheit sein kann. Dann hat man zum Beispiel Anspruch hat auf eine höherwertige Behandlung und Unterstützung. Ein weiterer Grund ist die Initiative Fit2Work, wohin man sich bei gesundheitlichen Beschwerden wenden und eine Beratung einholen kann.

Was dürfen sich unsere Leser unter Fit2Work vorstellen?

Da gibt es eine eigene Homepage. Auf der Webseite fit2work.at finden sich alle Angebote. Grundsätzlich geht es darum, wenn Arbeitnehmer gesundheitliche Beschwerden haben, können sie sich dort über ihre Möglichkeiten informieren und beraten lassen. Die Hilfen sind konkret und Fallbezogen und natürlich kostenlos.