"Durchschnittlich dauert es acht bis neun Jahre, vom Auftreten der ersten Allergie-Symptome, bis zum Aufschlagen beim Arzt"

Uwe E. Berger, Leitung Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation an der Medizinische Universität Wien
MedUni Wien

Uwe E. Berger, Leiter der Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation an der Medizinische Universität Wien, HNO Klinik, über das Führen eines Pollentagebuches, die Möglichkeiten, Allergien auszutesten und therapieren und warum es wichtig ist, das schon zu Beginn der Allergie zu tun.

Interview: Helene Tuma

 

Herr Berger, warum sollte man Allergien so schnell sie möglich behandeln lassen?

Nachdem wir wissen, dass sehr viele Patienten den Weg zum Arzt scheuen und dadurch keine Allergieauswertung haben, ist, gerade bei der Pollenallergie, die Dunkelziffer relativ hoch. Durchschnittlich dauert es acht bis neun Jahre, vom Auftreten der ersten Allergie-Symptome, bis zum Aufschlagen beim Arzt. In dieser Zeit kann sich eine ausgewachsene Allergie bilden, aber was noch schlimmer ist, es kann sich Asthma entwickeln. Die Kosten für den Patienten und die Einbuße der Lebensqualität und auch die Kosten für den Staat sind dann um vieles höher als bei einer Allergie, die man sofort im ersten, zweiten Jahr unter Kontrolle bekommt.

Welche Schritte gibt es, um festzustellen, ob man an einer Pollenallergie leidet?

Viele Patienten tun die Beschwerden als den jährlichen Schnupfen ab, der immer zur selben Zeit auftritt. Deshalb haben wir einen Fragebogen im Internet, der auf www.pollenwarndienst.at geschalten ist, etabliert, mit dem man sein Allergierisiko austesten kann. Man gibt ein, ob man und wann man Beschwerden hat und unsere Routinen im Hintergrund berechnen das Allergierisiko, um dem Patienten den ersten vorsichtigen Stoß in den Rücken zu geben „Du solltest etwas gegen Deine Allergie tun“. Die zweite Routine, die wir aufgebaut haben, genau um diese Frage zu beantworten, ist das Pollentagebuch, das unter www.pollentagebuch.at zu finden ist. Ins Pollentagebuch werden Symptomdaten eingetragen, die Auge, Nase und Lunge betreffen. Diese Daten werden mit den Pollendaten aus dieser Region korreliert und man bekommt einen detaillierten Bericht in Form von Grafiken und einem Excel-Sheet. Diese Unterlagen kann der Patient zum Arzt mitnehmen. Das ist dann der etwas stärkere Klaps auf den Hinterkopf, wo man den Patienten, sagt, „Du, pass auf, da ist tatsächlich eine positive Korrelation zum Beispiel auf die Birke. Du solltest etwas unternehmen“.

Was geschieht dann beim Arzt?

Der nächste Schritt ist dann, dass man tatsächlich zum Allergologen geht und eine Hauttestung macht. Diese Hauttestung heißt „Skin-Prick-Test“. Dabei werden verschiedene Allerge auf den Unterarm aufgebracht und dann mit einer Prick-Lanzette ganz vorsichtig unter die Haut gebracht. Anhand der Reaktion sieht man dann, ob der Patient eine Allergie aufweist oder nicht. Mit dem, was der Patient uns über seine auftretenden Beschwerden sagt, z.B. dass sie üblicherweise Mitte Mai auftreten und beim Hauttest kommt eine positive Reaktion auf Gräser heraus, dann kann man noch einen Bluttest machen und hat das Ergebnis, der Patient reagiert positiv auf Gräser.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Wenn das Ergebnis vorliegt, kann der Arzt, basierend auf dem Leidensdruck des Patienten, entscheiden, ob eine Immuntherapie angebracht ist. Wenn der Patient länger als zwei, drei Wochen starke Beschwerden hat, sollte man Richtung Immuntherapie gehen. Sind es weniger als zwei, drei Wochen, kann man auch schauen, ob man mit einem Antihistaminikum über die Runden kommt.

Helfen auch frei verkäufliche Medikamente oder Homöopathie?

Gleich vorweg, man kann eine Allergie nicht heilen. Was man machen kann, ist den Schwellwert, ab dem man auf Pollenkörner in der Luft reagiert, rauszusetzen. Das heißt, man reagiert nicht auf 50 Pollenkörner in der Luft, sondern auf 100. Das kann man sehr wohl mit, ich sage es bewusst provokant „alternativen Methoden“.  Wir sehen sehr positive Ergebnisse zum Beispiel bei der TCM, bei Akupunktur und bei der Homöopathie. Wir sehen aber auch positive Effekte bei einem Präparat namens Lectranal, bei dem die Wirksubstanz die Traganthwurzel (Astragalus membranaceus) ist. Momentan arbeiten wir an einer Studie, bei der es um ein Nahrungsergänzungsmittel geht. Das ist ein Eisenpräparat, wo wir in der ersten Vorstudie sehr gute Ergebnisse haben und eine signifikante Verringerung der Symptomlast der PatientInnen gesehen haben. Es waren nur 20 PatientInnen, die bei uns dieses Präparat bekommen haben. Diese Studie wird jetzt in größerem Rahmen bei uns in der MedUni Wien, an der HNO Klinik gemacht. Man muss aber dazusagen, dass es nur ein Hinauszögern der Symptomatik ist, über kurz oder lang kommt man um die Immuntherapie nicht herum.

Was passiert, wenn man eine Allergie nicht behandelt?

Die Rute, die wir den Patienten immer ins Fenster stellen, ist, dass diese eine oder zwei Wochen Allergie-Beschwerden nicht immer gleichbleiben werden. Eine nichtbehandelte Allergie ist eine fast 100 prozentige Chance Asthma zu bekommen.