Zöliakie: Vom Ursprung bis heute

Brot, Korn
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Erst seit kurzer Zeit ist die Krankheit Zöliakie deutlich im Bewusstsein der Menschen angekommen. Doch ist sie keineswegs eine „neumodische“ Erscheinung: Mit der ersten landwirtschaftlichen Revolution vor mehr als 12.000 Jahren war auch die Zöliakie geboren. Bis sie im 2. Jahrhundert erstmals beschrieben wurde, mussten noch viele Jahrtausende verstreichen. Seitdem hat sich viel getan: Eine Reise durch die Geschichte der Zöliakie.

 

Lange Zeit waren wir Menschen Jäger und Sammler, die sich von Früchten, Nüssen und Fleisch ernährten. Als wir im Zuge der neolithischen Revolution (etwa 10.000 v. Chr.) lernten, Pflanzen zu kultivieren, gelangten erstmals seit vielen hunderttausend Jahren neue Nährstoffe auf den menschlichen Speiseplan. Die meisten Menschen konnten sich daran anpassen. Die wenigen, die es nicht konnten, entwickelten Nahrungsmittel-Intoleranzen: Damit war auch die Zöliakie geboren.

Die bauchige Krankheit

Mehr als 10.000 Jahre später wurde die Krankheit erstmals schriftlich erwähnt: Der griechische Arzt Aretaios von Kappadokien beschrieb im 2. Jahrhundert n. Chr. die „bauchige“ Krankheit. Das Wort Zöliakie stammt aus dieser Zeit: Es leitet sich vom altgriechischen Wort „koelia“ (Bauch) ab. In seinem Hauptwerk setzte sich Aretaios mit Ursachen und Symptomen akuter und chronischer Krankheiten auseinander. Dort schreibt er: „Wenn der Bauch Nahrung nicht behält, das Essen unverdaut hindurch geht, und nichts davon in den Körper steigt, dann nennen wir diese Personen Bauchige.“

Weitere 17 Jahrhunderte verstrichen, bis der britische Arzt Matthew Baillie um 1810 seine Beobachtungen einer chronischen Durchfallerkrankung veröffentlichte, die sich durch einen aufgeblähten Bauch kennzeichnet und zu Mangelernährung führt. Seine Beobachtungen erlangten jedoch keine Bekanntheit. So war es der englische Arzt Samuel Gee, dessen Vortrag vor Medizinstudenten im Jahr 1887 als erste moderne Beschreibung der Zöliakie gilt. Er erkannte, dass Elemente der Ernährung die Ursache der Krankheit sein könnten: „Wenn der Patient überhaupt geheilt werden kann, dann nur mittels einer Diät.“

Die Bananen-Diät

Was die Ursache für Zöliakie sein könnte, blieb in den nächsten Jahrzehnten unklar – ebenso ihre abträglichen Auswirkungen auf die Darmschleimhaut. In den 1920ern jedoch hatte eine neue Ernährungstherapie ihren Auftritt: Die Bananen-Diät, beschrieben vom US-amerikanischen Kinderarzt Sidney Haas. 1924 berichtete er, acht Kinder mit Zöliakie erfolgreich behandelt zu haben, indem er ihnen eine auf Bananen basierende Kost ohne Getreide und Zucker verabreicht hatte. Den Erfolg dieser Behandlungsmethode führte er jedoch fälschlicherweise auf den Wegfall von Zucker aus der Ernährung zurück.  

Bahnbrechende Entdeckungen

Dass der wahre Übeltäter jedoch ein anderer ist, erkannte Kinderarzt Willem Karel Dicke in den 1940er- und 1950er-Jahren. Der Niederländer beobachtete, dass sich der Zustand von an Zöliakie erkrankten Kindern während des Getreide-Engpasses im Zweiten Weltkrieg wesentlich besserte. Daraufhin veröffentlichte er eine bahnbrechende Erkenntnis: Die Ursache der Zöliakie seien glutenhaltige Getreidearten; eine Behandlung könne nur mit einer glutenfreien Diät erfolgen.

Wenige Jahre später erreichte die deutsch-britische Gastroenterologin Margot Shiner einen weiteren Durchbruch: Sie entwickelte einen neue Technik  zur Durchführung einer Biopsie des Dünndarms, mit deren Hilfe Ärzte erstmals einen Zusammenhang zwischen Zöliakie und dem Abflachen der Darmzotten (Erhebungen in der Dünndarmschleimhaut, die der Nährstoffaufnahme dienen) als Reaktion auf Gluten herstellen konnten.  

Zöliakie als Autoimmun-Krankheit

Im Laufe der 1980er- und 1990er-Jahre wurde immer klarer, dass Zöliakie nicht nur eine Nahrungsmittel-Unverträglichkeit ist. Es zeigte sich, dass das Blut Zöliakie-Erkrankter bestimmte Antikörper enthält, anhand derer die Krankheit auch ohne eine Biopsie des Dünndarms diagnostiziert werden kann. Heute weiß man, dass es sich bei Zöliakie auch um eine genetisch bedingte Mischform aus Allergie und Auto-Immunkrankheit handelt; ausgelöst durch Gluten, und diagnostizierbar anhand des Auto-Antikörpers Gewebe-Transglutaminase, der die Darmzellen der Betroffenen angreift.

Zöliakie gibt es, seit Menschen Getreide essen. In einem breiteren öffentlichen Bewusstsein ist die Krankheit jedoch erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Dies ist nicht zuletzt der stetigen Forschung und verbesserten Diagnostik zu verdanken, die die Dunkelziffer der Erkrankten immer mehr schwinden lässt. Was die Zöliakie-Forschung in Zukunft bringen wird, wissen wir nicht – aber wir können davon ausgehen, dass die nächste bahnbrechende Erkenntnis nicht 17 Jahrhunderte auf sich warten lassen wird.