"Wir wollen unsere Expertise den betroffenen AllergikerInnen zur Verfügung stellen"

Expertin Erika Jensen-Jarolim
MeduniWien/Felicitas Matern

Die Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI) feiert heuer ihr 50jähriges Bestehen. Was ist das Ziel der ÖGAI?

Univ.-Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim, Klinische Immunologin: Die Österreichische Gesellschaft für Allergologie und Immunologie ist die nationale Gesellschaft aller WissenschaftlerIInnen und ÄrztInnen, die sich mit dem Immunsystem und seinen Erkrankungen, wie Allergien, befassen. In der Pandemie sind beide Expertisen von hoher Relevanz: Impfungen, daher Stimulation des Immunsystems, aber auch verstehen und wissen wie reagiert werden muss, wenn allergische oder gar anaphylaktische Nebenwirkungen dagegen auftreten. Die ÖGAI verbindet Wissenschaft mit Medizin und schreibt sich auf die Fahnen, dieses Wissen der Fachwelt, aber besonders auch Patienten zur Verfügung zu stellen. 

Welche Rolle spielt die Patienteninfo auf der neuen Homepage und was möchten Sie damit erreichen?

Wir wollen unsere Expertise den betroffenen AllergikerInnen zur Verfügung stellen, vom Ratgeber zu „Allergien und Intoleranzen“ bis zur Anleitung wie Eltern gegen die Anaphylaxie des Kindes vorgehen können. Dabei sind uns die Links und Interaktion mit der Patientenplattform IGAV – Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung und dem Österreichischen Pollenwarndienst sehr wertvoll. Unsere ÖGAI-ExpertInnen prüfen diese Publikationen auf ihren aktuellen Gehalt und achtet darauf, dass Inhalte leicht verständlich formuliert werden.

Was müssen Allergiker beachten, die sich gegen COVID-19 impfen lassen möchten?

Wir orientieren uns an den Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums, In der letzten Ausgabe findet man dazu: Personen mit bekannten Allergien beispielsweise gegen Aeroallergene wie Pollen oder Hausstaub können und sollen ungeachtet dieser Vorgeschichte geimpft werden. Im Aufklärungsgespräch mit der Ärztin oder dem Arzt sollen etwaige Allergien adressiert werden und der Allergie-Ausweis mitgebracht werden, die Information zu möglichen Allergenen enthält die Fachinformation (Zusammensetzung) des entsprechenden Impfstoffes. Bei Impfung von Allergikerinnen und Allergikern soll die Nachbeobachtungszeit auf 30 Minuten verlängert werden.

Haben Menschen mit Autoimmunerkrankungen ein höheres Risiko an Corona zu erkranken und was gilt es bei der Impfung zu beachten?

Zu dieser Frage gibt es noch sehr wenige Daten. COVID-19 geht mit einer erhöhten Gerinnungsneigung einher. Blutgerinnsel werden auch durch vorhandene Immunkomplexe gefördert. Immunkomplexe entstehen, wenn entweder sehr viel fremdes Antigen in den Körper kommt oder es eine starke Immunglobulinantwort gegen Antigene gibt. Das führt dazu, dass diese Komplexe im Blut nicht mehr löslich sind und sich niederschlagen. Daher sind Erkrankungen mit erhöhter Immunkomplexlast und damit verbundener Entzündungsneigung, wie systemischer Lupus Erythematodes (SLE), im Zusammenhang mit der Corona-Infektion besonders zu betrachten.

Gibt es weitere Erkenntnisse?

Es gibt zunehmend auch Hinweise, dass die Invasion der Coronaviren über unterschiedliche immunologische Mechanismen selbst Autoimmunität triggern kann. Das bedeutet, dass durch die Ähnlichkeit der Viren mit körpereigenem Material  („molekulare Mimikry“), Immunantworten gegen eigene Körperzellen entwickeln können. Eine Corona-Virusinfektion könnte über Aktivierung der Entzündungszellen (Makrophagen, Neutrophile) des Autoimmun-Patienten dann viele entzündliche Botenstoffe ausschütten, welche zur Verstärkung der vorab bereits vorhandenen Autoimmunreaktionen führen könnte. Ob das zutrifft, und wie relevant das für den Einzelnen ist, kann heute noch nicht eindeutig für alle vielen unterschiedlichen Autoimmunerkrankungen beantworte werden. 

Welche geschlechtsspezifischen Aspekte gibt es hinsichtlich einer Infektion mit COVID-19 aber auch hinsichtlich möglicher Impfreaktionen?

Frauen haben östrogenabhängig eine stärkere Immunglobulinproduktion. Dies kann Immunkomplexbildung fördern, und eventuell die stärkeren Nebenwirkungen bei geimpften Frauen erklären.