Der Österreichische Pollenwarndienst – ein Blick hinter die Kulissen

Uwe E. Berger, Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes
Österreichischer Pollenwarndienst

Der Österreichische Pollenwarndienst ist bekannt, ebenso das Pollentagebuch und Pollenallergiker wissen den Service zu schätzen. Aber wie hat sich das alles entwickelt und woher kommen die vielen Daten, die zum Beispiel für Pollenwarnungen benötigt werden?

Uwe E. Berger, MBA und Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes verrät im Interview, wie der Pollenwarndienst funktioniert, welche Neuerungen geplant sind und warum das Mitwirken der Pollenallergiker so wichtig ist.

Herr Berger, Ihre Pollenvorhersagen bringt Menschen mit Pollenallergien Lebensqualität zurück. Wie wichtig ist Ihnen die Arbeit?

Uwe E. Berger: Die Arbeit am Österreichischen Pollenwarndienst passt perfekt zu mir. Hier kann ich mich um Menschen kümmern, die wegen einer Pollenallergie an massiven Beschwerden leiden. Das mag vielleicht etwas drastisch klingen, aber als ich damals vor 25 Jahren die Arbeit aufnahm, wurden Menschen mit Allergien nicht ernstgenommen. Zum Beispiel hat man damals eine Pollenallergie als harmlosen Sommerschnupfen abgetan und belächelt. Aber die Allergiker litten und hatten keine Ansprechpartner. Das hat mich geprägt und angetrieben.

Wie werden Pollenvorhersagen gemacht?

Als ich damals zum Österreichischen Pollenwarndienst kam, bestand die Pollenvorhersage darin, sich langjährige Aufzeichnungen anzusehen und unter Berücksichtigung des Wetters Rückschlüsse zu ziehen. Dann habe ich Aussendungen gemacht und den Tonbanddienst besprochen. Unter der Leitung von Professor Jäger begann eine Modernisierung. Die bestand zunächst darin, Vorhersagemodelle basierend auf Temperatursummen zu erstellen. Dabei legten wir fest, wie viel Grad es haben muss, damit eine Pflanze zu blühen beginnt. Denn manche Pflanzen, wie zum Beispiel die Birke, besitzen eine Art Thermometer und summieren Temperaturen über mehrere Monate. Wird eine bestimmte Temperatur erreicht, stäubt die Pflanze. Das erklärt, warum wegen der warmen Winter manche Pflanzen immer früher stäuben. Vor etwa zehn Jahren machten wir bei einem Kongress die Bekanntschaft mit einem Kollegen, der ein Modell für die Ausbreitung einer atomaren Wolke über Europa entwickelt hatte. Dieses Modell haben wir adaptiert und so unser erstes Vorhersagemodell entwickelt. Die erste Berechnung für einen Tag für Europa dauerte damals noch 25 Stunden, heute geht das in einer Stunde. Die Österreichische Pollendatenbank verfügt aktuell über 27 Messstellen. Die Europäische Pollendatenbank verfügt über mehr als 700 Messstellen, sogar außerhalb Europas, zum Beispiel in Usbekistan und in den USA. Erst die Daten dieser Messstellen ermöglichten uns, Pollenvorhersagen maßgeblich zu verbessern. Aber auch das Pollentagebuch ist ein wichtiger Datenlieferant.

Wieso das Pollentagebuch?

Mit dem Pollentagebuch haben wir den wohl wichtigsten Fixpunkt beim Sammeln von Daten überhaupt: Die sensible Nase der Pollenallergiker. Auf Basis der Einträge der letzten fünf Tage der Pollenallergiker errechnen wir mit einer Softwareroutine wichtige Daten für den Pollenkalender. Je mehr Allergiker ihrer Symptomdaten regelmäßig in ihrem Pollentagebuch eintragen, umso mehr Informationen stehen uns zur Verfügung. Ohne diese Daten könnten wir nicht zuverlässig arbeiten und es gäbe auch keine Forschung. Pollenallergiker sind für uns daher eine sehr wichtige Datenquelle. Die Pollentagebuch-App wurde seit ihrem Erscheinen bereits über eine Million Mal heruntergeladen. Damit sind wir weltweit federführend und eine vergleichbare Konkurrenz gibt es nicht. Als ich das Pollentagebuch einführte, gab es noch um die zehn Mitbewerber. Die sind aber verschwunden, was vermutlich daran lag, dass es Unternehmen waren, die oft nicht wissenschaftlich relevante Daten gesammelt haben. Wir als Forscher haben hier ein anderes Standing. Zum Schutz der persönlichen Daten halten wir uns konsequent an wissenschaftliche Standards. Auch deswegen, weil Entwicklungen wie etwa neue Präparate nur auf Basis wissenschaftlicher Standards etabliert werden können.

Pollenvorhersage und Pollentagebuch sind weltweit federführend. Gibt es hier eigentlich noch Raum für Entwicklungen?

Natürlich. Wir wollen ein auf den Patienten zugeschnittenes Modell des Pollentagebuchs etablieren. Das wäre dann die Entwicklung vom Pollenkalender zu einer individuellen Symptomvorhersage, die den individuellem Schwellenwert, die Schadstoffbelastung in der Luft und die Pollenbelastung vor Ort berücksichtigt. Das soll heuer im Sommer oder im Herbst in einem Modell anlaufen und im März 2023 vorgestellt werden. Dafür muss die aktuelle Pollenapp überarbeitet werden. Beim Installieren der App soll man aber in Zukunft wählen können, ob man das neue überarbeitete Pollentagebuch oder die bisherige Version haben möchte.