Das „Ragweed-Gesetz“ – ein Interview mit Dr. Gerhard Karrer

Ragweed
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Die Pollen der Ragweed-Pflanze sind hochallergen. Vor allem im Burgenland ist das Kraut weit verbreitet. Dort wurde ein Gesetz erlassen, um die teils großen Populationen einzudämmen und um Allergiker zu schützen. Welche Möglichkeiten der Ragweed-Bekämpfung das Gesetz bietet, verrät im Interview Dr. Gerhard Karrer. Er ist Ao. Professor an der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien im Ruhestand und war an der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfes beteiligt.

Herr Professor Dr. Karrer, woher kommt Ragweed?

Die Pflanze wurde vor zirka 150 Jahren aus Nordamerika eingeschleppt, vielleicht schon etwas früher. Dokumentiert ist sie jedenfalls ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Es scheint, das Kraut findet hierzulande gute Wachstumsbedingungen …

Die Invasivität der Pflanze drückt sich dadurch aus, als sie als einjähriges Unkraut an gestörten Standorten auftritt. Unter einer „Störung“ in unserer Landschaft versteht man einen Eingriff in die Natur durch Menschen, wie etwa Straßen, Schutthalden und Baustellen. Es gibt auch natürliche Störungen, zum Beispiel Murengänge. Ragweed tritt in der Regel aber an von Menschen beeinflussten Standorten auf.

Das Einfamilienhaus mit Garten ist auch ein bewusster Eingriff in die Natur …  

Ja. Wir haben bei unserem Projekt im Jahr 2010/11 die Gartenabfallthematik aufgegriffen. Die Biomüllsammelstellen der Gemeinden zeigen sehr gut, wie Ragweed verbreitet wird. Dort tritt die Pflanze auf, weil sie vom Garten dorthin entsorgt bzw. verschleppt wird.

Das Burgenland hat zur Bekämpfung von Ragweed ein Gesetz erlassen. War das nötig?

Das war ein sehr wichtiger Schritt. Vor allem die Pollenkörner von Ragweed sind hoch allergen und die Reaktionen des menschlichen Körpers darauf sind durchaus massiv. Allergiker können mit starken Beschwerden reagieren und bei einem Teil dieser Leute kann der Krankheitsverlauf sogar zu Asthma führen.

Aber andere Pflanzen sind auch allergen, und gegen die gibt es kein Gesetz. Warum?

Ragweed ist eingeschleppt und ihre Pollen stellen für Allergiker somit eine zusätzliche neue Belastung dar. Allergiker sind bereits der Pollenbelastung einheimischer Pflanzen ausgesetzt, und die durch Ragweed ausgelösten Beschwerden kommen erschwerend hinzu.

 

Gesundheitliche Beschwerden verursachen bekanntermaßen auch Kosten …

Richtig. Wir haben in einer Publikation in der Zeitschrift Nature eine Berechnung veröffentlicht, nach der allein wegen Ragweed in der EU pro Jahr acht Milliarden Euro mehr an Gesundheitskosten entstehen.

 

Sie haben am Ragweed-Gesetz mitgewirkt. Wie kam es zustande?

Der Gesetzesentwurf war ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Land Burgenland, zwei ungarischen Komitaten und der Boku Wien und wurde von der EU gefördert. 2019 wurde der Gesetzesentwurf an den burgenländischen Landtag weitergereicht, wo er diskutiert wurde. Das Projekt fand offensichtlich keine politische Mehrheit und wurde zunächst auf Eis gelegt. Ich habe mich gefreut, als das Gesetz dann doch beschlossen wurde.

Was kann der burgenländische Gesetzesbeschluss bewirken?

Ragweed wird man wohl nicht mehr los, allerdings kann man es lokal bekämpfen und damit die lokale Pollenbelastung eindämmen. Ein besonderes Problem sind große Populationen entlang von Straßen, auf Äckern und Baustellen. Von dort geht eine hohe Pollenbelastung aus, die man reduzieren kann.

An wen können sich die Burgenländerinne und Burgenländer bei einem Ragweed-Fund wenden?

Es gibt eine App, den sogenannten „Ragweed Finder“. Die App wurde von der Med-Uni Wien hergestellt und für die Initiative im Burgenland angepasst. Man kann die Pflanze fotografieren und das Foto mit den geographischen Koordinaten an das Meldesystem schicken. Dort wird es auf Korrektheit der Bestimmung geprüft und bei Bedarf nimmt die Behörde mit der Person Kontakt auf. Bei einem positiven Ergebnis werden die passenden Bekämpfungsmaßnahmen dem Verfügungsberechtigten der betroffenen Fläche vorgeschrieben.

Aber manche, darunter viele ältere Menschen, sind nicht internetaffin …

Es gibt auch ein 20-seitiges Handbuch mit Empfehlungen zur Bekämpfung. Im Burgenland sollten alle Gemeinden Infofolder und dieses Handbuch aufliegen haben. Es war auch angedacht, in jeder Gemeinde eine Ragweed-beauftragte Person zu bestimmen, an die kann man sich dann wenden.

Wie bekämpft man Ragweed?

Einzelne Pflänzchen reißt man aus und entsorgt sie in den Hausmüll. Bei großen Populationen sind andere Maßnahmen wie eine korrekte und zeitgerechte Mahd oder ein Bodenumbruch erforderlich. Wichtig ist, dass man die Pflanze rechtzeitig ausreißt, bevor sie Samen bildet. Die Samenbildung ist ab Anfang September möglich. Ein Problem ist auch, Ragweed zu erkennen. Dazu findet man im Internet Fotos. Fotos gibt es auch im Handbuch, das man sich besorgen kann.

Wie ist die Situation in anderen Bundesländern?

Abgesehen vom Burgenland gibt es kein Bundesland mit einer gesetzlichen Regelung der Ragweed-Bekämpfung.  

Können sich Personen mit einem Ragweed-Fund auch an die Boku wenden?

Ja, die Möglichkeit besteht. Es gibt immer wieder Leute, die bei uns anrufen und einen Fund melden.

Die Leute können dann auch mit Ihnen sprechen …

Ich bin nur noch fakultativ an der Uni, da ich eigentlich schon den Ruhestand genieße. Aber die Kolleginnen und Kollegen helfen gerne weiter.