Kann Virusinfektion Zöliakie auslösen?

Brot verschiedene Sorten
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Laut einer Studie in Science (2017) können Reoviren vielleicht schon im ersten Lebensjahr die Entwicklung einer Immuntoleranz gegen Gluten-Eiweiße (Zöliakie) führen.

Glutene, die Klebereiweiße die die Backfähigkeit von Getreidemehlen bestimmen, gehören zu den schwer verdaulichen Bestandteilen der Nahrung. Dies kann sie zu einem Problem für das Immunsystem machen. Um allergische oder autoimmune Reaktionen zu vermeiden, entwickelt der Darm bereits im frühen Lebensalter eine Immuntoleranz.

Gestörter Mechanismus

Bei Menschen mit Zöliakie ist dieser natürliche Schutzmechanismus gestört, ohne dass die Gründe hierfür bisher bekannt waren. Die meisten Patienten erkranken bereits im Kindesalter an einer komplexen Immunerkrankung, die mit der Bildung von Auto-Antikörpern einhergeht und in weiterer Folge zu einer schweren Schädigung der Dünndarmschleimhaut führt. Damit können schwere Entwicklungsstörungen der Kinder einhergehen. Was ein Auslöser dafür ist, wird schon lange diskutiert. Forscher vermuten eine Reihe von Virusinfektionen (Adenovirus, Enterovirus, Hepatitis C Virus und Rotavirus), doch die Mechanismen dahinter, sind bis jetzt nicht bekannt.

Neue Einsichten

Ein Team um Bana Jabri von der Universität Chicago hat nun Experimente durchgeführt, die neue Erkenntnisse liefern. Die Forscher experimentieren mit Reoviren. Es handelt sich um eine größere Familie von Viren, von denen einige Arten, etwa das Reovirus TIL („type 1 Lang“) den Darm infizieren (ohne dass es zu einer akuten Erkrankung kommt), andere wie T3D (type 3 Dearing) jedoch nicht. Jabri hat T3D genetisch so modifiziert, dass es wie TIL auch den Darm von Säugetieren infiziert. Eine Infektion des Darms mit TIL blieb für Mäuse folgenlos, solange die Tiere nicht gleichzeitig mit Gliadin, einem der Glutene, ausgesetzt wurden. Die Anreicherung der Mäusenahrung mit Gliadin führte aber zu einem deutlichen Anstieg der Anti-Gliadin-Antikörper, die auch für die Zöliakie des Menschen kennzeichnend sind. Bei einer Infektion mit T3D traten diese Anti-Gliadin-Antikörper nicht auf. Die Unterschiede konnten die Forscher auf eine verminderte Bildung von regulierenden T-Zellen zurückführen. Diese Abwehrzellen sind für die Immuntoleranz verantwortlich, die bei gesunden Menschen den Verzehr von glutenhaltigen Nahrungsmitteln möglich macht. Bei Patienten mit Zöliakie fehlt diese Immuntoleranz. Die Forscher konnten weitere Schritte der Pathogenese klären, zu der eine vermehrte TH1-Aktivität gehört und eine verminderte Expression des Gens IRF1, das als Transkriptionsfaktor am Verlust der Immuntoleranz beteiligt sein soll.

Kritische Phase nach dem Abstillen

Die Studie lässt vermuten, dass die Infektion mit einem Reovirus (oder auch anderen Viren) den Anstoß für die Entwicklung einer Zöliakie geben könnte. Als besonders kritisch erachten die Forscher eine Infektion von Kleinkinder nach dem Abstillen oder der Beendigung der Flaschennahrung. Grund: In westlichen Ländern erhalten Kleinkinder oft feste Nahrung die Getreideprodukte enthält. Werden die Kinder gleichzeitig mit einem Reovirus infiziert, könnte dies laut Forscher den Beginn einer pathologischen Immunreaktion markieren, deren Folgen sich erst Jahre später zeigen.

Ein weiteres Argument für diese Hypothese ist, dass Zöliakie-Patienten häufiger als gesunde Menschen Antikörper gegen Reoviren im Blut haben. Ein endgültiger Beweis.